Dass man von zu viel Arbeit, Stress und Leistungsdruck im Beruf krank werden kann, ist eine Tatsache. Burnout – vom englischen „Burn“, also ausgebrannt – lautet dann unter Umständen die Diagnose. Noch unbekannter ist ein ähnlich klingender Begriff: Boreout – vom englischen „Boredom“, sprich Langeweile. Dieser Begriff umschreibt das Gegenstück auf der Belastungsskala: Menschen, die von ihrem Job gelangweilt sind.
Die wissenschaftliche Forschung tut sich im Moment noch etwas schwer, hier von einem eigenständigen Krankheitsbild zu sprechen. Wenngleich die permanente Unterforderung im Arbeitsleben vergleichbare Krankheitssymptome hervorbringen kann wie Schlaflosigkeit, Niedergeschlagenheit, Depression, Antriebslosigkeit, Kopf- und Magenbeschwerden sowie eine verstärkte Infektionsanfälligkeit. Im Endeffekt kann auch diese negative Belastungsspirale, dieser Unterstress, zum Burnout führen.
Für die Leser unter Ihnen, die jeden Tag an einem industriellen Arbeitsplatz nach genormten Zeittakten ihre Arbeit verrichten müssen, klingt dies wie eine Luxuskrankheit. Mit Sicherheit hat es auch in der Vergangenheit langweilige Arbeitsplätze und unausgelastete oder unterforderte Mitarbeiter gegeben. Aber der heutige Zeitgeist arbeitet der Entstehung von Boreout-Symptomen zu. Wir sind erzogen in der Vorstellung, täglich unser Bestes zu geben, Herausforderungen als Chance zu begreifen und uns diesen zu stellen. Höher, schneller, weiter! Stress gilt als die Ehrenmedaille der Erfolgreichen. In Abgrenzung zu den tatsächlichen Faulenzern wollen die unter Boreout leidenden Mitarbeiter auch zeigen, was sie können. Sie sehnen sich ebenso nach Anerkennung und Erfolg für erbrachte Leistungen wie die allermeisten unter uns.
Teufelskreis der Langeweile
Wo liegen die Ursachen? Als einer der Hauptgründe wird die immobile Arbeitswelt gesehen. Begehrte Arbeitsplätze sind oft nicht in der unmittelbaren Nähe des Wohnortes und dies hat zur Folge, dass man folgenreiche Kompromisse bei der Arbeitsplatzwahl eingeht. Häufig sind davon der öffentliche Dienst, die Arbeit in Verwaltungsberufen sowie die klassischen Bürotätigkeiten betroffen. Die Sehnsucht nach einem sicheren Arbeitsplatz überlagert den Wunsch nach inhaltlicher Erfüllung im Arbeitsalltag.
Kurze Wege zur Arbeit und dann noch quasi unkündbar im öffentlichen Dienst – die Verlockung ist zu groß. Wenn dann noch der Arbeitgeber den Arbeitsplatz ohne eine gründliche Person-Tätigkeits-Analyse schematisch besetzt, dann ist die Unterforderung vorprogrammiert. Zusätzlich entsteht eine paradoxe Situation: Der Unterforderte schafft natürlich seine ungeliebte, ihn eigentlich langweilende Arbeit in relativ kurzer Zeit. Danach entsteht Leerlauf. Die Langeweile vergrößert sich. Angst, dass dieser Leerlauf entdeckt wird und er mit zusätzlicher, ungeliebter Arbeit eingedeckt wird, führt schnell dazu, dass dieser Mitarbeiter Auslastungsstrategien entwickelt. Er täuscht den Kollegen und Vorgesetzten eine mindestens 120-prozentige Auslastung vor. Vielleicht kennen Sie solche Kollegen, die mit der Kaffeetasse in der Hand auf dem Flur stehen und jedem, der dazukommt, erklären, wie groß der Berg an Arbeit heute wieder einmal ist. Häufig brennt bei diesen Mitarbeitern das Licht im Büro am längsten.
Innerliche Kündigung
Selbstverständlich könnte man sich als Betroffener in dieser Situation auch selbst helfen. Mit den Vorgesetzten sprechen, eine Erweiterung des Aufgabengebietes einfordern, bitten, die Aufgaben im Team gerechter qualitativ und quantitativ zu verteilen oder in letzter Konsequenz den Arbeitsplatz oder den Arbeitgeber zu wechseln. Wären da nicht die bequemen Faktoren für die Arbeitsplatzwahl.
Wer durch permanente Unterforderung erst einmal die innerliche Kündigung ausgesprochen hat, der wird sich nicht mehr inhaltlich engagieren. Daher brauchen wir Führungskräfte und Kollegen, die rechtzeitig die Symptome erkennen, für dieses Thema sensibilisiert sind und gemeinsam mit den Mitarbeitern (ohne Ängste zu erzeugen) rechtzeitig entgegen steuern. Ist es eine Luxuskrankheit? Mit Sicherheit brauchen wir sie nicht!