
Mit Stolz weißt Geras Kulturamtsleiterin, Dr. Claudia Tittel, darauf hin, dass Gera die einzige Station der Sonderausstellung „Sibylle – Frauen und Mode in der DDR“ in Thüringen ist. „Die Exponate sind schon seit Mitte März hier bei uns. Aber leider hat Corona alles durcheinandergebracht.“ Verschoben ist nicht aufgehoben – und so können die Besucher bis zum 4. Oktober im Museum für Angewandte Kunst in Gera Originalfotografien und Ausgaben der ostdeutschen Kultzeitschrift „Sibylle“ betrachten. Ergänzt wird die von der Kunsthalle Rostock konzipierte Ausstellung mit Schnittmusterbögen und Kleidern aus jener Zeit.

Die „Vogue des Ostens“
Die Modezeitschrift „Sibylle“ – heute bezeichnet man sie als die „Vogue des Ostens“ – erschien von 1956 bis 1995 im „Verlag für die Frau“ in Leipzig und Berlin. Berühmt war sie vor allem wegen ihrer Fotostrecken. „Die Fotografien sind einzigartig. Das Papier und der Druck leider schlecht,“ fasst Dr. Tittel die Ergebnisse und die Produktionsbedingungen zusammen.

15 Mark für ein Titelbild
Rudolf Schäfer, einer der Fotografen bei der „Sybille“ nennt die Arbeitsbedingungen „amateuristisch“. Schäfer, in Herrenhof am Rande des Thüringer Waldes geboren, fotografierte von 1978 bis 1989 für die „Sibylle“. „Im Trabbi-Kombi hatten wir die Kleidersäcke und die Technik drinnen. Die Models schminkten sich selbst. Sie bekamen 15 Mark für ein Titelbild. Die meisten waren keine hauptberuflichen Fotomodels. Wir haben sie auf der Straße angesprochen.“ Die technischen Bedingungen waren auch nicht gerade arbeitserleichternd. „Nur drei Rollfime mit je 12 Bildern bekamen wir für ein Titelbild-Shooting von der Redaktion gestellt. Im Westen hätte ein Fotograf gleich wieder auf der Türschwelle kehrtgemacht. Der hätte einfach verbraucht, was er verbraucht hätte.“ Seine Fotoausrüstung musste sich Schäfer selbst kaufen. „Bei dem Ost-West Umtauschkurs war eine Nikonkamera ein teures Vergnügen. Am Ende muss ich sagen, die besseren Fotos habe ich mit meiner DDR-Praktika gemacht,“ resümiert Rudolf Schäfer.

Bröckelnder Beton und rostige Gaswerkskessel
Der „Sibylle“ wird von vielen Seiten immer wieder nachgesagt, dass sie systemkritisch gewesen wäre. Man bezeichnete sie als „ästhetische Republikflucht“ und sie hätte die Leser zu „Zeitreisenden in eine postkommunistische Welt“ gemacht. Junge Frauen, die nichts von der tristen Lebenswelt der Werktätigen des Arbeiter- und Bauernstaates in ihren Blicken widerspiegeln. Die selbstbewusst avantgardistische Mode tragen, die es in keinem Laden zwischen Rügen und Erzgebirge zu kaufen gab. Vor einem Hintergrund aus bröckelndem Beton und rostigen Gaswerkskesseln. Auf den ersten Blick mag das so erscheinen.

Ein wunderschöner Garten
Rudolf Schäfer, der bis 2018 eine Professur für Kommunikationsdesign und Fotografie in Halle hatte, beschreibt seine Arbeit damals so: „Die „Sibylle“ war subversiv. Wir haben uns aber nicht bei jeder Produktion Gedanken gemacht, was wir an diesem Staat kritisieren wollen. Vielmehr stellten wir uns die Frage: Wie müsste es aussehen, wenn es wirklich schön ist? Für uns war die Zeitschrift ein wunderschöner Garten, in dem man Schmetterlinge fangen konnte. Und unsere Leser besuchten gerne diesen Garten.“
Mehr Bilder unter: tubustelescopius
Informationen:
Öffnungszeiten des Museums für Angewandte Kunst:
Mittwoch bis Sonntag / Feiertage von 12 bis 17 Uhr
Eintrittspreise:
Normalpreis: 5 Euro
Ermäßigt: 3 Euro
Kontakt:
Tel. 0365 – 838 1430
Fax:0365 – 838 1432
Mail: musak@gera.de