Dr. Thorsten Wettich forscht zu Bestattungskulturen in fernen Ländern und erkundet den Wandel der Bestattungsformen in Deutschland
Wenn ein Mensch stirbt, dann ist er unwiederbringlich weg.
Darüber dürften sich die meisten Menschen bei uns einig sein.
Für einige gibt es ein Leben nach dem Tod, für andere nicht.
Aber dass Tote zurückkommen oder einen weiteren Einfluss auf unser Leben haben, das würden wohl viele hierzulande verneinen.
Es gibt auch ganz andere Auffassungen als unsere
In anderen Ländern und Kulturen wird genau das teilweise ganz anders gesehen, weiß der Religionswissenschaftler Dr. Thorsten Wettich.
Er arbeitet und lehrt an der Universität Bremen und hat sich mit Bestattungskulturen unter anderem in Tibet, Indonesien, Iran, Mexiko und der Türkei beschäftigt.
Dabei sind ihm neben teilweise anderen Bestattungsformen einige Unterschiede zu Deutschland besonders aufgefallen.
Kontakt zu Verstorbenen durchaus möglich –
und auch, dass sie das Leben der Lebenden beeinflussen
„Zum Teil findet man in diesen Ländern eine gelassenere Trauerkultur“, sagt der Religionswissenschaftler. „Im Gegensatz zu Deutschland ist in vielen dieser Länder aber der Glaube an die Möglichkeit, Kontakt zu Verstorbenen herstellen zu können, oder der Glaube, dass die Toten einen Einfluss auf das Leben im Diesseits haben, sehr verbreitet.“
In der deutschen Bestattungskultur bewegt sich vieles – auch durch Zuwanderung
Generell stellt Thorsten Wettich, der sich in einem weiteren Schwerpunkt mit dem Wandel der Deutschen Bestattungskultur beschäftigt, fest, dass in Deutschland durch die Zuwanderung von Menschen aus anderen Kulturen vieles im Bestattungswesen in Bewegung gerät.
„Einfach gesprochen, macht die Zuwanderung von Menschen aus anderen Kulturen die Bestattungskultur in Deutschland bunter“, sagt der Religionswissenschaftler.
„Weil die Gesetzgebung relativ unflexibel ist, stellt sie für Religionsgemeinschaften jedoch zunächst eine Herausforderung dar, etwa wenn sie für den Unterhalt eines Friedhofes den Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts benötigen.
Anders herum sind aber auch religiöse Ansprüche vieler Religionsgemeinschaften für den laufenden Betrieb von Friedhöfen und für die Bestattungsunternehmen eine Herausforderung.
In beide Richtungen wurden jedoch vielfach schon sehr kreative und spannende Kompromisse gefunden.“
Interesse an kontroversen Themen
Auch in Deutschland untersucht Thorsten Wettich den Umgang mit dem Sterbeprozess, die Auseinandersetzung mit der Grenze zwischen Leben und Tod, dem Umgang mit dem Leichnam und neue Formen der Trauerkultur.
Dabei interessieren ihn auch kontroverse Themen wie die Resomation oder alkalische Hydrolyse, bei der der Körper der Verstorbenen mit starken Laugen unter hohen Temperaturen und Druck zersetzt wird, bis nur noch die Knochen übrig sind, die zermahlen als sterile Asche beigesetzt werden können.
„Aus heutiger Perspektive ist das für viele undenkbar“, sagt Thorsten Wettich.
„Man muss sich jedoch klarmachen, dass auch die Verbrennung bei ihrer Einführung ähnlich beurteilt wurde.“
Fasziniert von der Idee der Kryonik
Fragt man den Religionswissenschaftler, welche Aspekte seiner Forschungsarbeit zur Bestattungskultur ihn persönlich am meisten faszinieren, dann gibt er eine sehr überraschende – fast schon unwissenschaftliche – Antwort: „Mich fasziniert zum Beispiel die Idee der Kryonik, also die Idee, Leichname in Frostschlaf zu versetzen und gegebenenfalls später wiederzubeleben. Diese Idee wurde ja auch in diversen Science-Fiction-Adaptionen bereits aufgegriffen.“
Dr. Thorsten Wettich hält am Mittwoch, 8. Juni, um 10 Uhr im Lutherhaus in der Joliot-Curie-Straße 1a in Gera einen Vortrag mit dem Titel „Bestattungskultur im Wandel“.
Dieser Vortrag ist Teil der Reihe „Akademie am Vormittag“ der Ökumenischen Akademie Gera / Altenburg.
Mehr darüber unter:
oek-akademie-gera.de
Daniel Dreckmann
dreckmann@meinanzeiger.de