Stellt euch mal vor: Es gibt Menschen, die sich auf einen abgespeckten „Viehe- und Zippelmarckt“ im Oktober freuen. Die herbstliche Gigantomanie in Straßen und auf Plätzen von Weimar verschnauft temporär. Warum muss da erst ein importiertes Virus der Familie Coronaviridae für Entschleunigung sorgen? Da hätten wir selbst drauf kommen können! Zurück zum traditionellen Zwiebelmarkt mit weniger Farbe und Halligalli.
Im Jahr 1653 deckten sich die Menschen noch mit Zwiebeln und Gemüse für die Wintermonate ein. Im 19. Jahrhundert folgte die überregionale Attraktion mit drei Markttagen und Marktordnung. Zu DDR-Zeiten begann die eintägige Versorgungsschlacht – „wir hatten ja nischt“. Bis zu 120 000 Besucher aus der gesamten Republik pilgerten an die Ilm, um zu hamstern. Da wanderten oft 32 000 Zwiebelrispen – die nur für den Vormittag reichten – unter Kutten und in Dederonbeutel.
Nach der Wende – wieder drei Markttage – reihten sich an Gemüse und Trockensträuße, Haushaltwaren, Textiles, Spielzeug und Co. plus Bespaßungsmaschinen und zig Genussitäten. Ein steter Drang nach höher, toller, breiter bestimmte das gierige Szenario. Ein gigantisches Menschengedrängelknäuel schiebt sich als laufende Wand seitdem durch die Innenstadt. Die Zwiebel kam zu kurz.
Es bleiben schöne Momente und Eindrücke. Die wird es auch jetzt geben, nur anders. Der Blick wird geschärft. Falls Tränen fließen, sollte es nur am Propanthialsulfoxid liegen, dem Reizgas welches beim Zwiebelschneiden entsteht.
Ich finde die Entscheidung der Stadt klug und weitsichtig. Verzicht ist auch Ausdruck von Vernunft und Solidarität. Ich weiß, wenn ich in den vergangenen Tagen die Schreie der Straße höre, das sehen manche anders. Zwiebel drauf!